Tagebuch Wallenstein 2016

Keiner kann sich vorstellen, wie es die Menschen aufnahmen als der kaiserliche Generalissimus Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, im Jahre des gregorianischen Kalenders 1630 in die freie Reichsstadt Memmingen einzog. Für die ca. 4000 Mitwirkenden der Wallensteinspiele ist es jedoch alle 4 Jahre eine besondere Woche, in der man in die Geschichte der Stadt eintauchen und sich atmosphärisch mit der Zeit verbunden fühlen kann. Dieses Tagebuch möchte einen Einblick in das größte historische Fest Europas, aus der Sicht der „Bevölkerung Memmingens“, bieten, die durch über 300 Mitwirkende verkörpert wird. Mit Hintergrundberichten, Heiterem aus dem Gruppenleben, aber auch mit Rückblicken in die Vergangenheit möchte diese Niederschrift durch die Woche führen.

28. Juli
Die Herren der Schöpfung!
Mit der Herrschaft meinte man nicht das Oberhaupt der Familie, sondern die Herrschaft über den Geldsack, denn wer im 17. Jahrhundert genug Taler besaß konnte sich wohl zu den Herrschaften zählen.
Im Bevölkerungslager herrscht Arbeitsteilung für Damen und Herren. Herrschaftszeiten waren gestern, heute müssen, dem Herrgott sei Dank, auch die Frauen ran. Was für herrliche Tage, an dem man(n) nach getaner Arbeit seinen her(r)vorragenden Körperbau fletzend, bei einem her(r)gerichtetem Blonden, in Stroh betten kann.

29. Juli
Spielwiese „Wallenstein“
Ein ganzer Wagen „junges Gemüse“! Was heute Anfang 20 noch „grün“ hinter den Ohren ist, war 1630 schon betagt und erfahren, als Soldat im Frontdienst oder als Magd, Marketenderin oder Weib der Familie zu Diensten. Früher war der einzelne Mensch als solcher verloren, die Zugehörigkeit war existenziell. Aus der Gesellschaft ausgestoßene fristeten ihr Dasein als Aussätzige und hatten ein „haltloses“ Leben ohne die Unterstützung von anderen. Sogar die Kirche scheute die verlorenen Seelen.
Bei unserem historischen Spektakel bleibt niemand allein, die „Wallensteiner“ verbindet die Liebe zum „Spiel“, wie es das „junge Gemüse der Bevölkerung“ zeigt.

30. Juli
Die Zeit vergeht!

Der Wallensteinsommer alle vier Jahre macht Kleine ganz groß. Die Bevölkerung trägt viele Früchte. Viele Babies die noch friedlich in den Leiterwägen schlummerten, werden in vier Jahren auf eigenen Beinen die Welt erkunden.
In der damaligen Zeit war eine Schwangerschaft für die Frau die Erfüllung der ehelichen Pflichten ihrer Weiblichkeit und für den Vater der Beweis seiner Männlichkeit. Außerehelicher Verkehr, der oft nicht ohne Folgen blieb, wurde mit dem Tod bestraft. Ein Beispiel dazu recherchierte der Historische Verein mit dem Schicksal der Kindsmörderin Anna Luzin, die am 20. Oktober 1630 in Memmingen hingerichtet wurde.

31. Juli
Der Himmel weint

Den letzten Tag der 10. Wallensteinwoche beweint der Himmel mit dicken Tränen die er am Sonntagabend über das Land schickt. Das Volk musste damals wie heute wasserfest sein und der Dinge harren. Gemeinschaft verbindet auch heute noch den bunten Haufen, viele Freundschaften wurden so neu geboren und werden nun weitere vier Jahre gepflegt, bis es wieder heißt: „Es lebe der Herzog und seine Huren“.
Ein Vivat auf alle, die einen „modernen“ Einblick in das Jahr 1630 der Frühen Neuzeit möglich machten! Ohne den Einsatz von vielen helfenden Händen wäre die Woche nicht zustande gekommen!
Cui honorem, honorem! (Ehre dem, dem Ehre gebührt)

    August 16
    Wo rohe Kräfte walten

    Mit vereinten Kräften bricht das Volk die Zelte in der Grimmelschanze ab und verschwindet wieder zurück in die Behausungen in und um Memmingen. Eine Woche voller zündendem Lagerleben gehört nun der Vergangenheit an. Doch bevor wieder Ruhe in der Stadt einkehrt, muss noch kräftig gefegt werden, um in vier Jahren wieder mit frischem Wind durch das Ulmer Tor einzuziehen.Die Besetzung der Stadt durch Eusebius Wenzel von Waldstein und seinen Truppen war mit dem Auszug im Oktober 1630 vorbei – die Stadtgeschichte jedoch wird stets weiter geschrieben. Bis zum nächsten Kapitel der historischen Zeitreise im nächsten Wallensteinsommer anno domini 2020!