Die Bürger der freien Reichsstadt Memmingen anno 1630

von Dunja Schütterle

Die Stadt Memmingen war im 17. Jahrhundert umgeben von einer Stadtmauer mit sechs Stadttoren. Das Herzstück bildete die St. Martins Kirche. Das Bürgertum war gespalten in drei verschiedene Bevölkerungsschichten. Die oberste war die Gesellschaft zum goldenen Löwen (Großzunft), in der die Stadtoberen und die adlige Gesellschaft organisiert war. Dem folgten die Kaufleute, die der Gesellschaft zum Goldenen Stern angehörten. Der dritte Bevölkerungskreis setzte sich aus der Kramerzunft und den 10 weiteren Zünften, in denen alle anderen Memminger Bürger organisiert waren, zusammen. Ganz außerhalb der städtischen Gesellschaft standen die mittellosen Fremden und Nichtsesshaften, diese wurden nach Möglichkeit aus der Stadt entfernt und als leichtfertiges Gesindel abgestempelt. Kaum besser erging es auch jenen, die zwar in der Stadt ihren Wohnsitz hatten, jedoch mittellos waren. Diese Frauen und Männer mussten um Almosen bitten und wurden durch besondere Kennzeichnung, dem „Armenschild“, komplett aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Alle Lebensbereiche der Memminger Bürger waren durch die städtischen Verordnungen geregelt. Der Tag wurde durch Sonnenaufgang und Sonnenuntergang bzw. durch das Glockengeläut eingeteilt. Geistliche und weltliche Zeremonien waren feste Bestandteile im Wochen- und Jahreslauf. Zwischen den einzelnen Schichten klaffte eine erhebliche soziale Spanne, was in den einzelnen Lebensbereichen zum Ausdruck kam. Das gesellschaftliche Leben für arm und reich war der Wochenmarkt, der heute, wie damals, an 2 Tagen in der Woche stattfand: Dienstag und Samstag. Auch fand schon im 17. Jahrhundert, in der Ulrichs- und Matthäuswoche (August und September) ein Jahrmarkt statt, der die Menschen aus der Umgebung anlockte .

Gewand und Schuhwerk
„Kleider machen Leute“: Dieses Sprichwort war in der damaligen Zeit fest in der Kleiderordnung verankert, was Mann/Frau erlaubt war zu tragen. Die Stoffe zur Kleiderherstellung von Handwerkern und Kramern hatten aus Wolltuch und ungefärbtem Leinen zu sein, wie auch in gedeckten Farben. Ein Hemd, das auch zum Schlafen getragen wurde, Wams, Hose und Weste. Das Tragen von Schmuck war gänzlich dem höheren Volk vorbehalten. Einfache Hüte und Stirnhauben, Schuhe aus gemeinem Leder, kurzum möglichst einfache Kleider sollten diese Leute tragen. Einmal angeschaffte Kleidung musste das ganze Leben halten. Schuhe waren nicht selbstverständlich. Die überspitzten Schuhformen der Renaissance löste der Kuhmaulschuh, auch Kuhfuß ab. Der nach vorne hin überbreite Schuh aus mehreren Ledereinzelteilen hielt mit einem Riemen über dem Rist am Fuß des Trägers. Auch wurde kein Unterschied zwischen linkem und rechtem Schuh gemacht. Schuhmacher und Schuhflicker, genau wie Schneider und Weber, lagen am untersten Ende der Vermögenshierarchie der Reichsstadt.

Speis und Trank
Ernährungsgrundlage der Menschen waren Getreidearten, wie Dinkel, Hirse und Hafer, die meist zu Brei gekocht oder zu Fladen verarbeitet wurden. Auch Milch, Schmalz, Kraut und Gemüse sowie Produkte der eventuell vorhandenen Nutztiere, wie Hühner, die zusammen mit den Menschen lebten, gesellten sich zum Speiseplan. Je nach Einkommen gab es auch Fleisch, Speck, Obst, Bier und Wein. Man aß, teilweise auch mehrere Personen zusammen, aus einem gedrechselten Holzteller. Männer und Frauen gleichermaßen trugen ihr „Besteck“ am Leib. Messer trugen Männer am Gürtel und Frauen frei herabhängend unter ihrem Gewand. Ferner benutzte man Holzlöffel und kleine Spieße oder Pfriemen zum Festhalten der zu schneidenden Nahrung. Bier und Wein wurden bei den einfachen Leuten aus Holzbechern, den so genannten Daubenbechern getrunken.

Wohn- und Bettstatt
In der Stadt wohnte man meist zur Miete in kleinen Wohneinheiten, die meistens nur aus einem Raum bestanden und von mehreren Personen z.T. auch mit den Tieren genutzt wurden. Die Möblierung war sehr karg, meist bestand diese nur aus einer Sitzgelegenheit wie einem Hocker oder einer Bank. Dicht neben der Feuerstelle, die gleichzeitig auch einzige Lichtquelle war, wurde die Schlafstatt errichtet. Man schlief auf Strohsäcken, die natürlich auch einiges an Floh-Getier beherbergten. Gutverdienende Handwerker hatten ihre Werkstatt meistens im Haus. Zentraler Mittelpunkt eines Hauses war daher die Stube, die als Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer diente. Auch Tische, Bänke und Verwahrmöbel wie Truhen und Bottiche zeugten schon von etwas mehr Komfort, sowie auch die Schlafgelegenheit: bespannte Strohsäcke auf einem mit Gurten befestigten Rahmen gespannt, ähnlich wie das heutige Futon. Auch gab es Bettrahmen aus Holz mit Bettkasten, die denen dann die ganze Familie schlief.

Memmingen im Frühsommer 1630 – Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein Herzog von Friedland
Auch wenn Memmingen als freie Reichsstadt galt, die direkt dem Kaiser unterstellt war, blieb sie jedoch nicht von den Auswirkungen des dreißigjährigen Krieges verschont, der zu diesem Zeitpunkt bereits 12 Jahre wütete. Am 09.06.1630 (nach dem Gregorianischen Kalender) konnte die Stadt wieder etwas aufatmen, da der Einzug des Feldherren Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein (nach Schillers Dramen-Triologie: Wallenstein) eine kurze Zeit der Ordnung und Sicherheit brachte. Wallenstein und sein Gefolge zogen mit mehr als 100 Wagen und mehr als 700 Pferden durch das Ulmer Tor ein. Sein Besuch der Stadt machte Memmingen ein halbes Jahr zu einem Ort der Weltpolitik: als Zielort von Diplomaten, Abgesandten und mehr oder minder wichtigen Herrschern. Ein Knotenpunkt mit Residenzstadt-Atmosphäre, welche die Reichsstadt vorher so nicht kannte. Es wurden Reiterspiele und Hetzjagden veranstaltet, die hohen Herren luden zu festlichen Banketten. Trotz aller gesellschaftlichen Vergnügungen beherbergte Memmingen vor allem Kriegsheere in und außerhalb der Stadtmauern. Die Stadt war durch diese Mengen an Menschen recht beengt und es herrschte mehr Leben und damit gab es größere Reibungsflächen durch das Wallensteinsche Gesinde. Der Feldherr selber brachte die Gewohnheiten der freien Reichsstadt sichtlich durcheinander. Er verbat sich das Torleuten, das Ratsleuten und das Nachtwächterrufen, da er alles still haben wollte. Durch sein Migräneleiden hervorgerufen, war der Feldherr sehr lärmempfindlich. Sogar die Straßen vor seinem Quartier im Fuggerbau am Schweizerberg mussten wegen dem Hufgeklapper der Pferde mit Stroh aufgeschüttet werden. Die reichsstädtische Ordnung hatte sich nun den Bedürfnissen Wallensteins anzupassen, obwohl er sich nicht mit innerstädtischer Politik befasste. Für den Feldherrn war Memmingen strategisch günstig, da er zum Warten verurteilt war – in Regensburg entschied der Kurfürst über seine Zukunft. Nachdem ihn dieser aus seinen Diensten entließ, zog sich Wallenstein in seine fürstliche Residenz in Gitschin zurück.

D´Weibsbilder und ihre Bälger
Nach dem Besuch Wallensteins hatte wohl manch Liebchen ein gebrochen Herzchen und vermutlich auch ein paar Mäuler mehr zu stopfen, da man auch damals nicht vor den Pfeilen Amors gefeit war. Manch einer widersetzte sich der Anordnung Wallensteins: „keine Vergewaltigung der Weiber“ und nahm sich was er brauchte, was nicht immer ohne Folgen blieb. Schwangere, uneheliche Frauen wurden aus der Stadt verjagt. Das weibliche Geschlecht war ohne jegliche Stellung in der Gesellschaft und sehr abhängig von ihrem Ehemann. In einer Zeit als der Aberglaube genauso viel Bedeutung hatte wie der Glaube an den Herrgott, konnte eine kundige Frau, sehr schnell in die Zangen der Inquisition kommen, besonders Hebammen waren davon betroffen. Sie gehörten zu den ersten „selbstständigen“ Frauen, die den Schwangeren nicht nur die Kinder zu entbinden halfen, auch Nottaufen nicht lebensfähiger Kinder und die Nachsorge bei den Wöchnerinnen gehörten zu Ihren Aufgaben. Die Stadtordnung besagte, dass die Hebammen jederzeit auf Abruf bereitzustehen haben. Als Entlohnung erhielten für jede Geburt 12 Kreuzer (das etwa dem Tageslohn eines Handwerkers entsprach) bar auf die Hand, dazu Naturalien und Brennholz, sowie teils großzügige Vergütungen seitens der Stadt.

Gehabt euch wohl – auf güldenes Leben
Auf güldenes Leben! glückliche Nacht!
Die Sonne hat sich zu Bette gemacht.
Ihre Gäste, halt feste die Früchte der Reben!
Ein jeder sei wieder zu trinken bedacht.
Nun heißet geschnittene Gläser hergeben.
Wie? Trauret ihr, wenn die Fröhlichkeit lacht?
Auf güldenes Leben!

Der silberne Monde schimmert mit Macht,
Er führet auf die beflammete Wacht.
Die Zinken die winken, die Saiten die beben,
Man höret der Musik lieblichen Pracht.
Auf! lasset die Becher fein reihenweis heben!
Dem Herrn haben wir dieses gebracht:
Auf güldenes Leben!